Die Klimabewegung hat viele Gesichter. Hier stellen wir euch einige Persönlichkeiten vor, die sich voller Energie für den Wandel
einsetzen.
Die Interviews führte Nadja Bleuler.
Heute sprechen wir mit Luzia K. Rodriguez darüber, wieso ihre Begeisterung für Fassadenbegrünungen kaum Grenzen kennt.
Luzia ist die Gründerin von Kraut + Quer GmbH, einer Firma die sich erfolgreich auf Innen- und Aussenbegrünungen im urbanen Raum spezialisiert hat. Zu den bekannteren Projekten gehört der Garten im «Frau Gerolds Garten», den sie seit 8 Jahren gestaltet und begleitet. Luzia ist Umweltingenieurin und schloss vor kurzem einen CAS «Natur im Siedlungsraum» ab.
Verein Stadtgrün
Luzia, wie wir hören, bist Du ein grosser Fan von Fassadenbegrünungen. Wie kommt das? Strassenbäume sind doch auch toll -
zumal sie über die erwiesenermassen grösste Kühlwirkung verfügen?
Luzia
Das stimmt! Strassenbäume liebe ich genauso, allerdings finden diese in der Stadt sehr herausfordernde Bedingungen vor, v.a. wenn man zuvor gänzlich baumfreie
Plätze oder Strassenzüge neu bepflanzen möchte. Dort finden die Jungbäume in den mittlerweile stark vom Klimawandel geprägten heissen Sommern ein extremes, trockenes Klima vor. Zusätzlich leiden
sie meist unter stark begrenztem Platz für ihre Wurzeln sowie dem noch fehlenden Verbund mit andren Bäumen, wie sie dies in einem Wald vorfinden würden und der für das Überleben der Bäume sehr
wichtig ist, weil dieser unter anderem das Mikroklima günstig beeinflusst. Diese Faktoren erschweren ein gesundes An- und Heranwachsen der jungen Bäume stark. Unter solchen erschwerten
Bedingungen kann man mit Fassadenbegrünungen unter Umständen schneller gute Resultate erzielen.
Verein Stadtgrün
Jetzt sind wir aber gespannt. Was sind denn aus Deiner Sicht die Vorteile von Fassadenbegrünungen?
Luzia
Die Liste der Vorteile ist tatsächlich lang*. Eine Fassadenbegrünung isoliert die Fassade, indem sie verhindert, dass sich diese stark von der Sonne aufwärmt und
die Wärme dann wieder an die Umgebung abgibt. Die an der Fassade wachsenden Pflanzen isolieren jedoch nicht nur, sondern durch Transpiration der Pflanzen entsteht Verdunstungskälte, was die
Umgebung aktiv kühlt. Das wiederum steigert die Lebensqualität von Mensch und Tier und kann sogar das lokale Mikroklima für neue Strassenbäume verbessern und die zuvor genannten Herausforderungen
für Strassenbäume mildern. Beides ist bei den häufiger werdenden Hitzetagen und Tropennächten von hohem Wert. Eine Fassadenbegrünung bietet zudem Lebensraum für Tiere wie Insekten und Vögel und
fördert dabei die Biodiversität in der Stadt.
Verein Stadtgrün
Wieso werden denn nicht mehr solcher Fassadenbegrünungen realisiert? Wegen zu hoher Kosten?
Luzia
Möglicherweise ist dies ein verbreitetes Vorurteil und erklärt, warum wir diese nicht häufiger antreffen. Allerdings ist eine bodengebundene Fassadenbegrünung –
also Pflanzen, die im Boden wurzeln und die dann an der Wand oder an einer Rankhilfe emporwachsen – wenn sie bei einem Um- oder Neubau von Anfang an mit eingeplant wird, kostengünstig. Es müssen
aber einige Dinge beachtet und intelligent geplant werden, damit der gewünschte Erfolg erzielt und sich Pflegeaufwand und Kosten in Grenzen halten. Beispielsweise ermöglicht die Integration einer
Zisterne im Boden das Sammeln von Regenwasser vom Dach und die Filterung durch einen Feinstofffilter. Ein einfaches, günstiges System, wie das genannte Beispiel einer einfachen bodengebundenen
Begrünung mit Rankhilfe, ist dabei weniger störungsanfällig und pflegebedürftig als wandgebundene Begrünungsformen, wie beispielsweise modulare Begrünungsformen.
Ebenso sollten Pflanzen ausgewählt werden, die gut zu einem Standort passen und dort die für sie idealen Bedingungen vorfinden. So dürfte die Bepflanzung an einer
schattigen Nordfassade anders ausfallen als an einer viel wärmeren und trockeneren Südfassade. Zudem kann man auch schauen, welche Tiere vor Ort vorkommen und wenn möglich die Wahl der
Bepflanzung daran ausrichten oder mit entsprechenden Nisthilfen versehen. Und dann braucht es natürlich auch Geduld! Die Pflanzen müssen erst wachsen und es kann einige Jahre dauern, bis der
gewünschte Überwuchs erreicht ist. Beachtet man diese Punkte, ist eine Fassadenbegrünung realisierbar.
Eine Stadt wie Zürich sollte meiner Meinung nach eine mindestens schweizweite Vorreiterfunktion einnehmen. Angesichts der Innovationsfreudigkeit der Zürcher Privatwirtschaft erstaunt es mich, dass an den neu erbauten Stadtgebäuden kreative Gebäudebegrünungen fehlen.
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* Vorteile von Fassadenbegrünungen:
Corinne ist gelernte Hochbauzeichnerin und hat vor kurzem den CAS Natur im Siedlungsraum an der ZHAW abgeschlossen. Sie arbeitet in einem Architekturbüro, wo sie mit Bauleitungen sowie der Bearbeitung von Bauprojekten befasst ist. Zudem arbeitet sie einen Tag pro Woche im BirdLife-Naturzentrum Neeracherried. Sie hat die meiste Zeit auf dem Land gelebt und geniesst nun seit Kurzem das Stadtleben am Rand der Stadt Zürich.
Verein Stadtgrün
Mit Deiner beruflichen Expertise und dem CAS Natur im Siedlungsraum kennst Du Dich sowohl mit Bauen, als auch dem Thema Stadtökologie aus. Genau in diesem Schnittbereich siedelt sich das Anliegen
Stadtgrün an. Wo liegen hier die grössten Herausforderungen aus Deiner Sicht?
Corinne
Eigentlich handelt es sich um ein Anliegen, das viele teilen. Meiner Erfahrung nach fehlt es für die Umsetzung naturnaherer Gärten an
und um Gebäude und Wohnanlagen herum oder für Fassadenbegrünungen jedoch oft an Sensibilisierung, Bewusstsein oder dem nötigen Know-how bei den zuständigen Bauherren, Immobilienverwaltern oder
Hausabwarten. Zum Teil bestehen auch Ängste bezüglich hohen Kosten oder dem erwarteten Zusatzaufwand für die Pflege solcher Anlagen – die aber nicht unbedingt begründet sind. Oft fehlt vielleicht
auch nur der Mut, wenn rundherum alles clean und grau ist oder die schweizerische Ordnungsliebe steht dazwischen.
Verein Stadtgrün
Was denkst Du, wie kann man diese Hürden überwinden?
Corinne
Zum einen hilft es meiner Erfahrung nach, die richtige Person zu «packen» und mit einem
thematischen Aufhänger zu verbinden. Beispielsweise hatte ich eben die Gelegenheit, bei der Sanierung eines Bürogebäudes mitzuarbeiten, dessen alte Rolladenkästen der Vogelpopulation in einem
ansonsten weitgehend sterilen Quartier als Brutplatz dienten. Ich habe die sehr aufgeschlossene Bauherrin aufs Thema hingewiesen, informiert und Projektszkizzen gezeigt, mit dem Vorschlag, den
Vögeln mit einer bodengebundenen Fassadenbegrünung inklusive Nisthilfen an einer Giebelfassade einen alternativen Lebensraum zu bieten. Zum anderen hilft es, die Synergien einer solchen
Fassadenbegrünung aufzuzeigen: Diese isoliert das Gebäude – was Energie und Kosten spart, filtert die Luft, dämpft Lärm, bietet einen Naturerlebnisraum und gestalterische Elemente für Passanten
und Bewohner und kühlt den Aussenraum. Ebenfalls ist es empfehlenswert: Begrünungen von Anfang an in die Planung miteinzubeziehen, weil das die Planung stark erleichtert und im Zuge der gesamten
Bauarbeiten meist günstiger kommt. Auch fallen die Kosten für Fassaden- und andere Aussenbegrünungen im Verhältnis zu den gesamten Kosten eines Um- oder Neubauprojektes in der Regel kaum ins
Gewicht. So gesehen ist jeder Um- und Neubau eine riesige Chance, die man nutzen sollte! Aber selbstverständlich sind auch alle nachträglichen Massnahmen sehr wertvoll; denn für die Erhaltung der
Biodiversität zählt jede noch so kleine Aktion. Und für die Hitzeminderung gibt es ebenfalls etliche Möglichkeiten, die jederzeit umsetzbar sind. Ich freue mich auf jeden Fall auf weitere
Projekte, sei es am oder ums Haus, in der Stadt oder auf dem Land.
Heute sprechen wir mit Zoe Stadler vom Verein Klimastadt Zürich über ihr Engagement und die positive Rolle der Begrünung bei der Anpassung an eine wärmere Stadt.
Zoe ist als Ingenieurin an der Hochschule Rapperswil tätig. Ihre Freizeit widmet sie zu einem grossen Teil dem Klimaschutz als Präsidentin des Vereins Klimastadt
Zürich und als Unterstützerin von verschiedenen anderen Projekten wie z.B. dem Klimapavillon auf dem Werdmühleplatz. Ausserdem ist Zoe Co-Präsidentin des Komitees der Initiative Stadtgrün.
Verein Stadtgrün
Welche Ziele verfolgt Ihr mit der Klimastadt?
Zoe
Unsere Ziele entsprechen denjenigen vom Klimastreik. Wir möchten, dass die Stadt Zürich eine
Vorreiterrolle im Klimaschutz einnimmt und die Treibhausgase bis 2030 auf netto null reduziert. Neben dem politischen Engagement haben wir uns auch zum Ziel gesetzt, die Klimabewegung in Zürich
zu unterstützen, indem wir die Vernetzung fördern. In diesem Zusammenhang ist auch das Projekt des Klimaraums entstanden. Dort arbeiten neben Klimastadt und Klimastreik auch andere
Klimaorganisationen wie Eltern fürs Klima, Klimagrosseltern und Klimaseniorinnen. Der Fokus von Klimastadt Zürich liegt mehrheitlich bei der Vermeidung einer stärkeren Klimaerwärmung. Doch auch
die Anpassung an den bisherigen sowie kommenden Klimawandel ist für uns wichtig. Hierzu braucht es mehr Effort, um die zahlreicher werdenden Wärmeinseln in der Stadt zu reduzieren.
Verein Stadtgrün
Was braucht es aus Deiner Sicht in der Stadt Zürich, um mit diesen Anliegen
weiterkommen?
Zoe
Als wichtigen Punkt sehe ich die Informierung der Bevölkerung über die Ursachen der bestehenden Wärmeinseln sowie die aktuell erwartete
Entwicklung. An manchen Stellen in Zürich werden bis 2050 bis zu fünfzig Hitzetage und Tropennächte pro Jahr erwartet! Dies ist eine Belastung für die Gesundheit, aber auch für die
Gebäudetechnik, da die Gebäude immer stärker gekühlt werden müssen. Für die betroffenen Orte soll die Stadt in Zusammenarbeit mit den Anwohnerinnen und Anwohnern sowie den Geschäften in der
Umgebung geeignete Massnahmen erarbeiten. Und wo gesetzliche Grundlagen fehlen (z.B. bei der Fassadenbegrünung), sollen diese geschaffen werden. Und natürlich muss insbesondere bei Neubauten
darauf geachtet werden, dass diese den Wärmeinseleffenkt nicht zusätzlich verstärken.
Verein Stadtgrün
Welche Rolle spielt hier eine verstärkte Begrünung?
Zoe
Begrünung, gerade bei sogenannten Wärmeinseln, ist eine sehr wirkungsvolle Massnahme und hat den
positiven Effekt, mit der aktiven Kühlung der Umgebung, dem Schattenspenden und der Aufnahme des CO2 aus der Luft die Gesundheit des Menschen zu schonen. Vermehrtes Grün ist damit in der Stadt
sehr wünschenswert!
Heute sprechen wir mit Eliane Suter über ihr Projekt «Züri Cool Down».
Eliane ist Geografin und Sicherheitsingenieurin, Gründerin der ubub (Umweltbildung & Umweltberatung), sowie Mitgründerin des Weblabs suter & partner. Im Zusammenspiel von Mensch, Umwelt & Technik fliessen ihre Erfahrungen in neue Konzepte der Umweltbildung. Ausserdem fördert sie den kreativen Umgang und die kritische Auseinandersetzung mit digitalen Medien.
Verein Stadtgrün
Worum geht es bei Züri Cool Down?
Eliane
Unser neuestes Projekt ist die Entwicklung eines interaktiven Web-Apps «Züri begrünt», mit deren
Unterstützung die StadtbewohnerInnen ihr Wohn- oder Arbeitsquartier begrünen, entsiegeln oder mit anderen kühlwirksamen Elementen, wie z.B. Brunnen, klimafreundlicher gestalten können.
Verein Stadtgrün
Was steht hinter der Idee? Was ist Eure Motivation?
Eliane
Städte wirken aufgrund ihrer verdichteten Bauweise als Wärmeinseln – ein Effekt, der durch den Klimawandel nachweislich verstärkt wird.
Begrünung ist eine der effektivsten Massnahmen, die Umgebung zu kühlen: Pflanzen spenden Schatten, sorgen für Verdunstungskälte und wirken isolierend. Alle die im Hochsommer gerne auf einer Wiese
unter einem Baum liegen, kennen das. Zusätzlich filtert Vegetation die Luft, dämpft Lärm, erhöht die Lebensqualität und ist gut für die Gesundheit!
Verein Stadtgrün
Wie geht es weiter? Was sind eure nächsten Schritte?
Eliane
Als nächstes möchten wir die Ideen der StadtbewohnerInnen, Quartiervereine, Genossenschaftsmitglieder und anderer Institutionen abholen. Die Partizipative
Wissenschaftsakademie der Universität Zürich/ETH beteiligt sich dabei im Rahmen eines Citizen Science-Projekts. Wir planen eine erste Fokusgruppe Ende Mai. Alle die gerne mitmachen und sich aktiv
bei "Züri begrünt" einbringen möchten, sind herzlich dazu eingeladen. Meldet Euch bei mir!
Als nächstes entwickeln wir die Web-App und suchen nach Wegen, damit es nicht bei der virtuellen Begrünung bleibt, sondern diese auch effektiv umgesetzt wird und
die BewohnerInnen tatsächlich von einer grüneren Stadt profitieren.